LiDAR OSRAM

Immer mehr ausgefeilte Fahrerassistenzsysteme helfen, Unfälle zu verhindern. Eine zunehmende Rolle spielt dabei Lidar. Es ähnelt nicht nur vom Wort her dem Radar: Zur genauen Messung von Abständen und zur Erkennung der Art von Objekten ist es eine unverzichtbare Komponente moderner Systeme. Die neue Lidar Percept Platform von Osram soll die Technologie im Massenmarkt einsetzbar machen.

Lidar ist eigentlich eine Abkürzung. Sie steht für „Light Detection and Ranging“, auf Deutsch also etwa „Ortung und Abstandsmessung per Licht“. Der Begriff erinnert stark an Radar, was für „Radio Detection and Ranging“ steht und „Ortung und Abstandsmessung per Funk“ bedeutet. In beiden Fällen werden die Begriffe heutzutage nicht mehr als Abkürzungen gesehen, sondern als eigenständige Worte benutzt.

Osram entwickelt Lidar-Sensorsysteme, die nicht nur dabei helfen sollen, Hindernisse genauer zu erkennen. Sie sind durch eine gezielte Industrialisierung der Komponenten geeignet, die Kosten für die Ausrüstung zu senken. Somit machen sie das automatisierte oder teilautomatisierte Fahren für die breite Masse verfügbar. Auch bei den Laserdioden, die die Grundlage für den Aufbau eines Lidar Systems sind, ist Osram ein Innovationstreiber. Osram Opto Semiconductors ist einer der führenden Hersteller dieser hochkomplexen Halbleiterelemente.

Wie arbeitet Lidar?

Das grundlegende Funktionsprinzip ist bei Lidar und Radar ähnlich: Eine elektromagnetische Welle wird ausgesendet, von einem Objekt reflektiert und von einem Empfänger wieder aufgefangen. Aus der Zeitdifferenz zwischen Aussenden der Welle und ihrem Eintreffen als Reflektion lässt sich die Entfernung zum erfassten Objekt errechnen. Vergleichbar sind die beiden Technologien, weil Radiowellen und Licht beides elektromagnetische Wellen sind. Die Grundlage eines Lidarsystems ist der Laser. Auch Laser war ursprünglich eine Abkürzung. Sie steht für „Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation”. Ein bedeutender Unterschied zwischen einem Laserstrahl und einer klassischen Lichtquelle, wie beispielsweise einem Scheinwerfer, ist die extreme Bündelung, die mit dem Laser möglich ist. Der Strahl wird auch auf große Entfernung kaum breiter und bleibt in den meisten Anwendungen beim Auftreffen punktförmig.

Aus den Daten eines Lidars lässt sich eine sehr hoch aufgelöste 3D-Abbildung erstellen. Experten sprechen von einem Tiefenbild. Es entstehen so genannte Punktewolken, die neben der Entfernung zu den erfassten Bildpunkten noch weitere für das Fahrzeug interessante Informationen enthalten. Ein Entwickler erklärt das so: „Unser Modul sendet Laser-Pulse aus. Die Sensorik des Empfängers misst die Amplitude – also die Stärke – der einzelnen reflektierten Pulse oder Echos. Die Auswertung kann daraus Oberflächen bestimmen. Das macht es einem Fahrerassistenzsystem möglich, beispielsweise Textilien von Metall zu unterscheiden – ein wichtiges Kriterium beim Erkennen von Personen. Auch liefern Fahrbahnmarkierungen andere Signalstärken als die Fahrbahn selbst. Die Differenzierung von Oberflächen ist ein wertvoller Input für die Systeme im Auto.“ Aus der vom Lidar erzeugten Punktewolke können mittels moderner, teilweise auf künstlicher Intelligenz basierender Algorithmen Objekte im Straßenraum erkannt und klassifiziert werden.

Woher kommt Lidar und wo wird es noch eingesetzt?

Die Lidar-Technologie wird heute vielfältig eingesetzt. Sie findet sich sogar bereits in Tablets und Smartphones. Dort ist sie für die Gesichtserkennung zum Entsperren des Gerätes zuständig oder unterstützt die Kamera. Letzteres ermöglicht die computergestützte Erweiterung der Realität (Augmented Reality). Das Lidar erfasst dabei beispielsweise die Struktur des Raumes und kann Möbel vor einem Online-Kauf im Kamerabild virtuell im Zimmer platzieren. Eine ganz einfache Form einer Lidar-Anwendung stellen auch die bekannten Entfernungsmesser für Heimwerker aus dem Baumarkt dar. Sie arbeiten mit einem sichtbaren Laserstrahl, wogegen Lidarsensoren für Autos das unsichtbare infrarote Spektrum verwenden.

Während das Radar bereits gegen Ende der 1930-er Jahre entwickelt wurde und zunächst nur der Erfassung von Flugzeugen im Zweiten Weltkrieg diente, ist Lidar noch nicht so alt. Anfang der 1960-er Jahre gab es erste Versuche dazu, und wieder dachte man dabei zunächst an die Luftfahrt und das Militär. Auslöser war die Erfindung des Lasers kurz zuvor. Wie bei vielen bedeutenden Erfindungen, ist nicht eindeutig auszumachen, wer als Erster die zündende Idee hatte. Beispielsweise setzte die Nasa schon 1969 einen Laser-Lidar ein, um die Entfernung zum Mond exakt zu bestimmen. Die Astronauten von Apollo 11 hatten dazu einen – übrigens in Deutschland gebauten – speziellen Reflektor auf dem Erdtrabanten aufgestellt. Der extrem starke Laserstrahl hatte dort dann nur einen Durchmesser von rund eineinhalb Meter – in einer Entfernung von rund 300 000 Kilometer!

Was bringt die Technik im Auto?

Im Auto ist der Laser natürlich sehr viel schwächer ausgelegt als für die Messung des Mondabstandes. Das ist auch notwendig, denn wegen der hohen Lichtintensität in einem solchen weitreichenden Strahl könnte dieser sonst Augenschäden verursachen. Die Leistung eines Automotive-Lidars fällt in die unterste von vier Leistungsklassen. Klasse eins bedeutet, dass die Strahlung ungefährlich ist, oder nur in einem geschlossenen Gehäuse auftritt. Letzteres ist beim Lidar in Fahrzeugen nicht der Fall, aber beispielsweise im DVD-Laufwerk eines Computers. Ein gelber Aufkleber weist darauf hin.

Wichtig für die Anwendung im Auto ist die Erfassung eines großen Bildbereiches. Viele Systeme sind daher als Lidarscanner aufgebaut. Dabei wird der Laserstrahl mittels optischer Verfahren gelenkt und tastet so die Umgebung großflächig ab.

Wie macht Lidar die Fahrt sicherer?

Die Ingenieure der Autoindustrie sind sich inzwischen weit überwiegend einig, dass für ausgereifte Fahrerassistenzsysteme drei Sensortypen benötigt werden. Es sind eine oder mehrere Kameras, Radar- und eben Lidarsensoren. Die Kameras erfassen das Verkehrsgeschehen und das Umfeld mit hoher Auflösung, sind aber auf ausreichend Licht angewiesen und haben daher Probleme bei Nacht oder schwierigen Wetterbedingungen. Radarsensoren funktionieren unter solchen Bedingungen besser und bieten genaue Informationen zu Abständen und Geschwindigkeiten, haben aber Schwächen bei der Auflösung. Lidarsysteme schließlich bieten auch bei vielen schwierigen Wetterbedingungen und bei Nacht hochgenaue Messungen.

Erst die Zusammenführung der Informationen aus den verschiedenen Sensortypen ermöglicht es aber, automatisierte Fahrzeuge nach höchsten Sicherheitsstandards zu entwickeln. Optimal für komplexe automatisierte Fahrfunktionen ist nach heutigem Stand der Technik die sogenannte Sensorfusion. Die Stärke des einen Sensors behebt im System die Schwäche eines anderen. Wenn also beispielsweise die Kamera wegen Dunkelheit oder einer verschmutzten Scheibe ein Objekt nicht erfassen kann, bekommt das Auto vom Lidar dennoch eine Information. Außerdem entstehen so die für die sichere Umsetzung der Fahrfunktion wichtigen Redundanzen. Damit ist gemeint, dass zum Beispiel die gleichzeitige Meldung eines Hindernisses durch zwei unterschiedliche Sensoren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass sich wirklich ein unerwünschtes Objekt auf der Straße befindet.

Was macht Lidar von Osram besonders innovativ?

Die von Osram entwickelten Lidar-Einheiten sind sehr hoch entwickelte Scannersysteme. Die Plattform baut auf modernster Scan-Technologie auf. Osram setzt dafür unter anderem ein so genanntes Microelectromechanical System (MEMS) ein. Das kann man sich wie einen Spiegel vorstellen, der sich in rasender Geschwindigkeit und hochpräzise um eine zentrale Achse bewegt, den infraroten Laserstrahl leitet und somit das „Sichtfeld“ abtastet. Allerdings unsichtbar, da infrarotes Licht vom menschlichen Auge nicht wahrgenommen wird. Bewegt wird so ein MEMS aber nicht von Motoren oder ähnlichem, sondern über elektrische Felder oder den Piezoeffekt. Dieser Ansatz macht das System sehr langlebig. So ist gewährleistet, dass es im langen Lebenszyklus eines Autos zuverlässig arbeitet.

Das Lidar von Osram ist als Plattform konzipiert, die für unterschiedlichste Verbauorte und Anwendungen angepasst werden kann. Fahrzeughersteller benötigen heute verschiedene Lidarsysteme, um beispielsweise sowohl das nahe Umfeld des Fahrzeuges mit einem breiten Blickwinkel zu erfassen als auch andererseits auf der Autobahn in 250 Meter Entfernung einen abgelösten Lastwagenreifen zu erkennen. Die Lidarscanner von Osram bieten diese Flexibilität durch eine zusätzliche Technologie zur Strahllenkung. Beim Einsatz in der Stadt könnte man so, der Verkehrssituation entsprechend, ein weites Blickfeld von 120 Grad bei reduzierter Reichweite auswerten. Auf der Autobahn wäre bei kleinerem Blickwinkel eine Reichweite von bis zu 250 Meter möglich. Da durch diesen Ansatz die Systeme für eine Vielzahl von Szenarien und Fahrzeugen einsetzbar sind, können in der Produktion höhere Stückzahlen mit Gleichteilen aus der Plattform produziert werden. Damit will Osram massenmarkttaugliche Preise erzielen.

Bei der Elektronik, die zur Auswertung der Signale benötigt wird, setzt das Unternehmen auf spezielle integrierte Schaltkreise. Solche Chips bedingen einen hohen Entwicklungsaufwand, sind aber dann günstiger in Masse zu produzieren. Ein weiterer Vorteil der Entwicklung von Osram ist die digitale Signalverarbeitung. Sie ermöglicht herausragende Eigenschaften, zum Beispiel bei der genauen Erfassung von Mehrfachechos (Multi-Hits) oder bei der Entfernungsauflösung. Dies verbessert die vom Lidar bereitgestellte räumliche Information.

Wofür soll die Percept-Plattform eingesetzt werden?

Die Osram Percept-Sensoren können zahlreiche Fahrerassistenzsysteme unterstützen. Ein einfaches Beispiel ist der Tempomat mit Abstandsüberwachung (Autonomous Cruise Control – ACC). Auch die Lichtsteuerung moderner Matrix-LED Scheinwerfer perfektioniert der Lidarscanner. Von den Daten profitieren ebenfalls komplexere Funktionen, wie etwa Notbremsassistenten, die Kollisionen mit Fahrradfahrern, Fußgängern und Tieren vermeiden.

Unverzichtbar werden Lidarscanner endgültig bei teil- oder vollautomatisierten Fahrzeugen. Der sogenannte Autobahnpilot, Englisch „Highway Pilot“ (HWP), kann unterstützt durch Lidar-Daten die Fahraufgabe für eine gewisse Zeit vollständig übernehmen. Im städtischen Bereich entlastet der Staupilot (Traffic Jam Pilot – TJP) den Fahrer in ermüdenden Stop-and-Go-Situationen.

Die ersten Autos mit Lidarscannern von Osram sind ab etwa 2024 zu erwarten.

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