Während in Süddeutschland schon die ersten Biertischgarnituren und Partyzelte aufgebaut werden,  kratzt man in Norddeutschland noch das letzte Mai-Eis von den Windschutzscheiben. Hier oben hinkt die Natur immer ein bisschen hinterher, das kommt von den kalten Winden über Nord- und Ostsee und lässt uns Autofahrer auch rund um den Vatertag noch immer frösteln wie im Januar. Bis … ja bis mal jemand auf die Idee kommt, sein Fernlicht einzuschalten. Absurd? Nicht ganz. Grill ist ja nicht gleich Grill. Unter dem Rost meines Alltags-Grills lauern zwei zusätzliche Scheinwerfer, die angeblich in der Lage sind, spontan die Saison einzuleiten und den Frühling auszurufen. Schon in den 70ern war man in der Lage, wahrhaft helles Licht in Brot-und-Butter-Autos einzubauen. Wohl denen, die sich trauen, da jetzt mal ein paar aktuelle Lampen reinzudrücken.

Ich hab da mal reingeguckt. Grill und Zusatzscheinwerfer ausbauen und schauen, welche Supernova die Kernschmelze einleiten soll. H3-Lampen. Ups? Diese Halogen-Einfadenlampen gibt es schon seit den mittleren 60ern, aber noch nie sind sie mir so hell aufgefallen wie in meinem eigenen alten Auto. Ansonsten: schöne, saubere Reflektoren. Zwei dicke, runde Scheinwerfer im Grill, zusätzlich neben den eher funzeligen H4-Hauptlampen und ein begehrtes Statussymbol der GXL-Ausführung in den frühen 70ern. Wer die damals hatte, der hatte auch einen fetteren Motor und eine Menge Chrom. Wer die heute immer noch hat, ist voll von gestern. Im Zeitalter von energiesparenden, intelligenten LED-Matrixscheinwerfern und unfassbar weit leuchtendem Laserlicht wirken Einfaden-Halogenlampen wie ein Schwarz-weiß-Foto. Aber halloooo, wenn da erst mal Osram Night Breaker H3 drin sind? Wollen wir es wagen, das subjektiv zu testen?

*klick* WUSCHSCHSCH. Die Nacht wird taghell.

Die Nachbarschaft kommt spontan rüber und hält Stockbrot und Bratwürstchen vor mein Fernlicht. Nervig. Mit dem Losfahren warte ich noch ein paar Minuten, bis auch die letzte Wurst gebraten ist, und will dann die Einfahrt verlassen. Nun sieh sich einer das an! Im Lichtkegel der runden Zusatzscheinwerfer sind alle Blumen aufgeblüht. Der bis eben noch eher mickerige Schilf ist zu einer stattlichen Sichtschutzmauer gewachsen, Apfelbäume sind aufgeblüht und tragen erste Früchte und der Rasen muss sofort gemäht werden. Frühling in Kiel. Alles so schön bunt hier! Piloten von Verkehrsflugzeugen halten meine Garageneinfahrt für den gut beleuchteten Flughafen Fuhlsbüttel, ich sollte mich hier mal wegbewegen.

Ein Schelm, wer nun denkt, dass damit alle neuen Techniken wieder hinfällig würden. Nein, nein, allein die Wärmeentwicklung der runden Dinger lässt die Nachbarschaft schon wieder nach den Würsten greifen, angrenzende Lackschichten auf der Motorhaube schmelzen dahin und entgegenkommende Insekten verdampfen schon einen Meter vor dem Auto. Und der Energieverbrauch ist so stattlich, dass beim Einschalten des Fernlichts die Lichtmaschine fast den Motor abgewürgt hat. Es ist gut, dass Osram weiter mit Hochdruck neue Lichtquellen erfindet und verbessert. Aber es ist auch ein schönes Gefühl, in meiner alten Karre eine subjektiv dermaßen gute Leuchtkraft entfesseln zu können. Ich fahre noch ein bisschen durch die Nacht und fühle mich, als besäße ich das Lichtschwert meines Vaters.

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