
„Oh, was ist das da denn für ein Auto …?“ Schwer zu sagen im neuen Jahrtausend. Mit einigen Ausnahmen. Es gab eine Zeit, da haben sich die verschiedenen Automarken auch optisch markant voneinander unterschieden. Und es gab und gibt noch immer Gesichter in der Menge, die sich von allen anderen abheben – nicht zuletzt durch das Design und die Anordnung ihrer Scheinwerfer. Unsere kleine Reihe stellt subjektiv ausgewählt die spektakulärsten oder schrägsten Autofronten vor, einige längst vergessen, andere noch immer im Straßenbild vorhanden. Heute greifen wir uns den Ford Scorpio 95. Man hasst ihn oder man liebt ihn. Dazwischen gibt es nichts.
Er ist fast ausgestorben – umso glücklicher macht er einen, wenn er mal im Rückspiegel auftaucht. Denn er ist ein freundlich guckendes Symbol für gut geplante, innovative Fahrzeuge, die sich dann aber trotzdem nicht verkaufen. Als der Ford Granada 1985 dem völlig neuen Scorpio wich, machte dieser fast alles richtig. Er war die erste europäische Großserienlimousine mit serienmäßigem ABS, dazu einem großzügigen Platzangebot und einem ungewöhnlichen Schrägheck. Die Presse lobte, die Kunden kauften ihn aber … nicht. Hastig legte Ford noch eine Stufenheck-Variante und eine Modellpflege nach, aber er ging einfach nicht so gut, der Scorpio.
Sein Nachfolger, den wir hier beleuchten, war 10 Jahre später das erste Automobil, dessen Design vollständig am CAD-Rechner entstand. Weil die Schräghecklimousine des Vorgängers sich immer schlechter verkaufen ließ, baute man ihre Evolutionsstufe jetzt einfach nur noch als Kombi und als Stufenhecklimousine. Mitten in einer Zeit, als das Stufenheck aus der gehobenen Mittelklasse verschwand. Die mutigen Rechner entwickelten in ihren integrierten Schaltkreisen einen höchst amerikanischen Hintern mit einem dicken, roten Leuchtband quer über die gesamte Fahrzeugbreite, nach oben abgegrenzt mit einer noch dickeren Chromleiste. Die konservative Kundschaft, vor allem die Briten, rannten schreiend zur Konkurrenz. Ups.
Noch gewöhnungsbedürftiger als das Heck ist die Front. Sie trägt einen Kühlergrill, der zu lächeln scheint und von zwei knubbeligen, dicken Linsenscheinwerfern flankiert wird. Die aufwendigen H1-Konstruktionen sind taghell und langlebig, aber auch das gefiel Mitte der 90er-Jahre nicht jedem. Große Autos sollten nicht freundlich gucken. Damals schon nicht. Dabei waren die Scorpios sehr gute Autos! Die Motoren galten als robust und kräftig, wenn auch nicht sehr sparsam. Das Platzangebot war sagenhaft, die Rostvorsorge okay und die Technik unanfällig. Aber nein, alle guten Ideen für eine bodenständige Limousine scheiterten am Design. Auch als Gebrauchtwagen klebte er wie Kaugummi an den Hacken der Händler. Dabei war doch jeder, der einen Scorpio im Alltag bewegte, voll des Lobes. Schon nach vier Jahren, 1998, wurde das Modell komplett eingestellt. Kein Senator mehr bei Opel, kein Scorpio mehr bei Ford. Schade, beides.
Die konservativen schreienden Briten sind bald nicht mehr in der EU und der Scorpio ist Geschichte. Im Netz werden insgesamt gerade mal rund 50 Autos angeboten, Ferraris gibt es wesentlich mehr. Mit frischem TÜV und Leder gehen die Limousinen schon bei 800 Euro los. Hier um die Ecke steht gleich einer. Ich glaube, ich gehe da nachher mal hin …
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Besser hätte Ford dem Scorpio nicht den Todesstoß versetzen können als mit diesem Facelift… Einfach nur gruselig! ?
Ach hier sollte es eigentlich rein. Auf FB wird man ja konditioniert seinen Gewohnheiten zu folgen.
In den Neunzigern schwadronierten die Golffahrer das sie den Astra total hässlich fanden, die Astrafahrer das der Golf total kacke aussieht. Habe diese Diskussionen nie verstanden da beide für mich einfach zu ähnlich sind um den einen toll zu finden und den anderen nicht. Beim Scorpio war das anders, der gab wenigsten genug Stoff ab ihn nicht zu mögen mit seiner polarisierenden Form. Ich fand den klasse weil er so amerikanisch daher kam. Besonders die Heckleuchten waren in den USA damals so absolut im Trend. Der Deutsche reagiert grundsätzlich erstmal mit Ablehnung wenn sein gewohntes Bild eines Autos durch einander geworfen wird.Auf meiner Dienststelle hatte sich auch ein Scorpio verirrt. Keiner wollte die Kiste fahren, ich habe ihn immer genommen. Er war keine Rakete mit seinem 2 Liter Motor aber er lief, wenn er nicht voll gefordert wurde, wunderbar sanft und hatte den geringsten Durchschnittsverbrauch von allen unseren Kisten. Was ich aber echt abartig gefunden hatte, obwohl ich als Amifahrer schon dahingehend einige Abartigkeiten verabreicht bekommen hatte, war der Pseudoholzdekor im Innenraum. Noch nie wurde das Thema Holz so grauenhaft interpretiert wie bei dem. Nur der Omega B konnte diesem „Holz“ noch ungefähr das Wasser reichen.
Hi Thorsten,
so ähnlich habe ich den privat auch wahrgenommen. So eine Art „hässliches Entlein“, aber zuverlässig und geräumig. Ich mag Außenseiter. Und der war damals einer, er wird immer einer bleiben.
Ich finde es spannend, wie sich auch nach so vielen jahren die Meinungen noch auseinanderbewegen… 🙂
Ich guck auch gleich mal wieder nach Preisen…
Grüße
Jens
In einer Zeit in der alle Autos immer ähnlicher wurden, dem Diktat des Windkanals folgend traute sich Ford etwas neues, etwas spektakuläres: Ein eigenständiges zukunftsweisendes Design. Wer die Augen etwas zukneift und sich den Scorpio mit LED- und Tagfahrbeleuchtung vorstellt erkennt wie weit er seiner Zeit vorraus war.
Leider hat ihm das keinen Platz im Olymp der Hersteller beschert. Nur einen im Herzen der Fans. Aber da ist er fest verwurzelt…
Der Scorpio ist furchtbar. Unstimmige Proportionen und plump. Dazu noch die Unsitte, dem Auto ein Gesicht geben zu wollen – und nein, es lächelt nicht freundlich, es grinst debil. Und die niedrigen Rückleuchten lassen den Hintern hängen.
Der Glubschaugenscorpio ist das Musterbeispiel, wie man ein Auto NICHT zeichnet. Da kann der Wagen ansonsten noch so gut sein, alleine aus ästhetischen Gründen verbietet es sich, dort einzusteigen. Und das ist durchaus schade, denn große Autos mit Hinterradantrieb sind eigentlich eine lobenswerte Sache…
Ay turboseize,
ich finde, gerade das macht ihn so reizvoll. Ja, ich weiß, über den Multipla herziehen und den hier dann loben. Ja ja 🙂 Na klar gibt es wunderschön stimmige Autos, die auch bezahlbar sind. Saab zum Beispiel.
Der Scorpio und auch der Senator B waren technisch gesund, aber haben eben nicht die Gunst der Käufer der gehobenen Mittelklasse erobern können. Zwei Frösche, die niemand zum Prinzen geküsst hat.
Ich finde das klasse 😀
Jens
Gehöre zu der Minderheit, die ihn weder toll noch schlimm fanden. Mich störten an ihm mehr andere Kleinigkeiten wie die Blinker-Nebelscheinwerfer-Kombi in der Stoßstange, die so sehr nach „Ach Sch…, brauchen wir ja auch noch..“ aussehen oder die hinteren oberen Ecken der Hintertüren, denen man (oder zumindest ich) ansieht, das sie eigentlich für eine gerade nach hinten auslaufende Dachlinie (Ur-Scorpio Schrägheck) gedacht sind. Ja, Plastikholz ist schlimm, aber definitiv nicht schlimmer als Plastik-Alu oder -Carbon!
Hi Romiman,
ach guck. So weit habe ich gar nicht spekuliert…
Nun, Ford wird so weit es möglich war auf den vorhandenen Baukasten zurückgegriffen haben, wie es ja auch im amerikanischen Mutterkonzern üblich ist. Dort wurden über Jahrzehnte immer nur Nase und Hintern geändert, die Mitte blieb gleich 😉
Tatsächlich finde ich das Plastikholz auch nicht schlimm, und auch ich mag kein Carbon. Aber auch das ist ja Geschmackssache…
Grüße von einem Fordfahrer
Jens
Der Ford Scorpio 1995 ist so gesehen eine Stil-Ikone. Leider im Jahr 1995 mißverstanden. Heute würde er gemäß der Optik eines Mercedes S-Klasse oder die ganz neuen E-Klasse Modellreihe w213 (jeweils Front) oder eines Audi A7/A8 (Heck) vollends in das aktuelle Design passen. Leider war der Scorpio 25 Jahr zu früh auf dem Markt. Man hat ihn leider nicht verstanden. Ich fahre ihn mit Stolz, denn ich weiß, daß er dafür verantwortlich ist, daß heute viele PKW`s die Stilelemente übernommen haben, die er bereits vor 25 Jahren inne hatte.
Viele Grüße vom Autodoc Mike